Flugträume und Traumflüge
Flugträume und Traumflüge
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Erlebt und geschrieben von Alex Meyer
Manchmal kann einem unser Sport schon ganz schön auf den Wecker gehen. Da ist man im Winter monatelang über Google Maps gesessen, hat sich mit dem XC-Planner Traumflüge ausgedacht, und dann kann man viele Wochen lang bei Sch... wetter kaum fliegen. Man hat sich viele Stunden mit Konditionstraining, bei mir ist es die Arbeit, gequält, um ja die Kondition für die 10-Stundenflüge zu haben ;-) und muss dann, mit eingeklappten Schirmohren, schon wieder nach einem halbstündigen Flug Richtung Landeplatz, da die Überentwicklungen nicht mehr zu übersehen sind. In Erwartung schöner, starker thermischer Ablösungen hat man auf der Scheidegg fleissig Rückwärtsstarten geübt
Üben, üben, üben
und sitzt dann bei bedecktem Himmel und null Wind am Startplatz. Da überlegt sich auch der sogenannte »Vielflieger«, der fast jeden fliegbaren Tag Zeit hat, schon mal, ob er sich da den richtigen Sport ausgesucht hat. Wie mag es da erst den meisten Piloten gehen, die nur am Wochenende Zeit haben?
Die Sprüche, » Jetzt gehe ich wieder klettern oder wandern«, dabei vergessend, wie oft einen da die Wetterverhältnisse zum Rückzug zwangen, oder, »ich beginne mit kiten«, auch vergessend, die Stunden, Tage ohne Wind, sind da schon verzeihlich.
Mountainbiken soll ja auch recht schön sein, nur, ist das alles eine Alternative? Glücklicherweise gab es doch diese Tage, die gezeigt haben, warum es wohl
keinen Sport gibt, der das Erlebnis des Fliegens überbieten kann.
5320 Meter über Meer, der Mont-Blanc von oben
Wer an solchen Tagen, ein paar tausend Meter hoch, unsere Welt von oben erlebt, wird wohl, wenn ihn nicht vorher das Sofa oder das Magengeschwür aufgefressen hat, kaum mit dem Fliegen aufhören können. Sicher ist es manchmal frustrierend, sich jedes Jahr nur zehn Prozent seiner Träume erfüllen zu können. Für den einen ist das ein Stundenflug, oder ein gelungenes Toplanding, für den anderen ein paar hundert Kilometer. Wenn wir aber jeden Tag so lange durch die Luft gleiten könnten, wie wir möchten - ich glaube nicht, dass die Freude darüber gleich gross wäre, das Glücksgefühl genauso intensiv. Vielleicht würde es zur Selbstverständlichkeit, so wie früher das Velofahren für den Pöstler, der ja weder durch sein Vielfahren fit genug für einen Tour de Suisse-Sieg wurde, noch zum Radsportenthusiasten.
Ihr merkt, ich tröste mich mit diesen Argumenten über viel Regen, Wind, Cirren, Warmfronten, stabiler Warmluft, feuchten Luftschichten und manchmal auch über die fehlende Motivation.
Wetterbericht, 19.12.2023
Aber ich weiss eins sicher, auch wenn schon wieder eine Saison vorüber ist: Dass ich, an irgendeinem Tag im nächsten Jahr, mit Hilfe der Rotmilane, die Thermik über dem Hüebli finden - mit den Bergdohlen im dynamischen Aufwind vor dem Säntis spielen - in der Nachmittagsthermik über den Churfirsten mit Adlern kreisen - dass ich, wie noch nie eine Menschengeneration vor mir - inmitten von Möwen um eine Klippe soaren werde, als wäre ich einer der ihren. Egal ob in tausend Meter Höhe oder zehn Zentimeter über Grund.
Küstensoaren in Monterey, mit DCZO Freunden
Ich weiss auch, dass ich, allem Frust und Zeitmangel zum Trotz, doch noch nicht aufhören kann mit dem Fliegen.
Fliegen zu können wie die Vögel ist keine Sucht, sondern ein Geschenk!
In diesem Sinne wünsche ich dir, dass du möglichst viele deiner Flugträume, mit viel Spass, Freude und vor allem Freunden, in Traumflüge umwandeln kannst.
Und nicht vergessen, immer schön die Kappe steif zu halten!
Alex Meyer
Endanflug Richtung Züri Oberland
Ich freue mich, den Stab nun an Chrigel Erne weiterreichen zu dürfen.