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In fremden Gefilden...


05. November 2024

In fremden Gefilden...

  • Erlebt und geschrieben von André Hemmi
Landeplatz

Danke Thomas für die Übergabe des Stabes.


Gerne erzähle ich von meinem Flugerlebnis von der Gerlitzen, in Österreich, wo ich in der Heimat von Renate und den Kindern die Sommerferien verbrachte. Da auch diese Ferien ein Ablaufdatum hatten, war es nach zwei Tagen Flugpause umso erfreulicher, dass es für den letzten Ferientag nach brauchbarer Thermik aussah, und damit mein Flugplan realisierbar schien.
Am Samstag, 27.07.2024 kam ich gegen 10:00 Uhr super motiviert auf der Gerlitzen an.
Oben angekommen sah die Realität mit der Basis auf Startplatzhöhe doch eher ernüchternd aus. Gegen 11:30 Uhr stieg die Basis endlich dann auf 200 - 300 Meter über den Startplatz an, so dass es höchste Zeit für den Start wurde. Meine Geduld war angesichts der schwindenden Zeit für den Flugplan schon ziemlich angespannt. Nach dem Start ging das Aufdrehen zum Glück ganz flott, aber ich wollte mehr und musste beim zweiten Zyklus feststellen, dass keine weitere Höhe zu gewinnen war. Auch anderen Piloten waren niedrig, also flog ich mit der geringen Höhe zur nächsten Wolke, welche weit im Lee stand. Da waren dann auch schon die ersten Zweifel, ob ich nach ca. 20 Minuten im falschen Tal am Boden stehe oder ob ich es schaffe, den Schlauch so tief zu packen.
Unter der Wolke angekommen, ging es wieder auf die vorherige Höhe, also musste das für die erste Talquerung reichen. Auf der anderen Seite angekommen, war dann der Anschluss schnell gefunden, und dieser Schlauch ging gut über Grat-Höhe. Erstmals konnte ich entspannt gleiten. Andere Piloten waren nicht zu sehen, dafür standen die Wolken in gut erreichbaren Gleitdistanzen über dem Grat, und ich kam gut voran. Gegen Ende des Grates kam dann schon das ‘’Race-Fieber’’, und ich beschloss, bei der zweitletzten Wolke nur das Steigen beim Durchflug mitzunehmen und die letzte Wolke vor der Querung zum Millstättersee anzusteuern.

Dobratsch und Villach


Je näher ich dann aber dieser letzten Cumulus kam, je weniger einladend sah sie für gutes Steigen aus, und darunter angekommen, war nichts mehr davon übrig.
Sichtlich genervt flog ich voll beschleunigt zurück, um dann von der nicht geschätzten Wolke ebenfalls einen Korb zu erhalten: Ja, da ärgert man sich mal wieder richtig über sich selbst.
Anstatt einfach weiter zu fliegen, eine unnütze Runde gedreht. Vor der Querung gab’s dann doch noch einen kurzen Heber, und los ging es auf die andere Seite, mit genügend Zeit, den zusammengeflogenen Mist zu verarbeiten.

Millstättersee, Blick Richtung Gerlitzen


Auf der anderen Seite gelang der Anschluss sofort. Was für ein Glücksgefühl, trotz des Wissens, unnötig Zeit verloren zu haben.
Nun ging es unter blauem Himmel über dem Grat weiter, das Drautal Richtung Nord-Westen hoch. Nebst den Wolken war auch die Thermik weg, und die Gleitphase fühlte sich wie ein Abgleiter an. Jede potenzielle angeflogene Thermikzone blieb ohne einen Variopieps,
da kommen wieder die Fragen im Kopf, Südwind, keine anderen Piloten, was stimmt da nicht…?
Und so war die nächste Talquerung mit ca. 5 Kilometer schon mehr eine Flucht nach vorne, mit grosser Skepsis.
Auf der anderen Talseite konnte ich gerade noch einem langgezogenen Hügel ca. 450 Meter über Tal-Grund entlang fliegen.  Auch da blieb die Thermik aus, also immer weiter am Grat entlang gleiten und jede Wiese ansteuern, in der Hoffnung, etwas zu finden.

vom Goldeck richtung Dobratsch

 
Als die Suche schon mehr auf Bahnhof mit Landeplatz gerichtet war, sah ich endlich Vögel über einem Heuwender kreisen. Nichts wie hin und ja, es ging endlich mal wieder etwas hoch oder zumindest nicht nur runter, und so hangelte ich mich von Wiese zu Wiese, bis dann doch mal etwas mit mehr Potenzial zum Aufdrehen kam, da war der starke seitliche Versatz durch den Talwind ein Luxus - Problem.
Da man in dieser Situation ja keine Ansprüche mehr hat, war alles recht, mit dem es wieder hoch ging. Nun entschied ich mich, von da die Querung des Drautals vorzunehmen, und dabei die Hangnase Richtung Greifenburg anzufliegen. Dies hatte den Vorteil, die Gleitphase über das Tal etwas zu verkürzen, und ich konnte da auch gleich mit ein paar Vögeln aufdrehen.
Schon fast ungläubig schaute ich, als ein anderer Gleitschirm über mir in den Schlauch einstieg. Zusammen flogen wir dann die Querung zu Ende und drehten nochmals auf.
Von da ging sein Weg Richtung Greifenburg, und ich trat den Heimweg Richtung Villach an. Nun ging alles von alleine! Über dem Goldeck gings dann mal über 2’700m Höhe, und da erwachte das ‘’Race-Fieber’’ erneut: Die Wolkenstrassen waren für meine Flugrichtung wie gemacht.


Die Aussicht über dieses Gebiet am Weissensee war traumhaft. Rasch flog ich Richtung Dobratsch, italienisch- slowenische Grenze, mit dem Plan, die letzte Kante Richtung Villach/ Ossiacher See zu nehmen. Beim Anfliegen des Bergrückens verstärkte sich der Südwind, so dass die Gleitzahl, Rolle auf Rolle, wie mein Übermut schwand. Nun war ich auf der Suche nach brauchbaren alternativen Optionen. Ich hielt dann am ursprünglichen Plan fest, in der Hoffnung die Kante im Luv zu erreichen, um diese abzusurfen.
In starken Turbulenzen, knapp über Grat angekommen, brachte mich ein Schlauch mit viel seitlichem Versatz wieder zur Basis zurück. Nun begrub ich das mit der Kante definitiv, jetzt ging es mit Rückenwind und Spülgang Richtung Drautal, um dieses wieder zu queren.

Letzte Querung über das Drautal

 
Einmal mehr tief angekommen, musste ich einen Taleinschnitt überfliegen, was mit meiner geringen Höhe eher ein Durchfliegen bedeutete. Gerade einladend sah das mit dem grossen Steinbruch und mehreren Hochspannungsleitungen nicht aus. Als nach kurzer Bastelstunde der Erfolg durch Höhengewinn ausblieb, war die frisch gemähte Wiese neben einem Bahnhof stärker als der Kampfgeist.
Gut gelandet, und nach kurzem Fussmarsch kam nach zehn Minuten der Zug nach Villach, wo es bei den fünfzig Minuten Umsteigezeit das Landebier gab. Viva !!!
Mein Fazit für den Flug ist, einmal mehr: Verlasse dich auf deinen Instinkt. Und: Es geht in jedem Gebiet, auch ohne Ortskunde. Flieg vorwärts, wenn Du weiter kommen willst!

Gerne übergebe ich den Stab Christian Zumbach und freue mich auf seine Geschichte!