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Dem Bauchgefühl vertrauen und auch zu diesem stehen.


21. Februar 2023

Dem Bauchgefühl vertrauen und auch zu diesem stehen.

  • Erlebt und geschrieben von Ronja Heim

Zuallererst:  Vielen Dank an Michael Kohl für die Übergabe des Stafettenstabes an der GV.
Als Flug-Einsteigerin ist es für mich eine besondere Ehre, schon jetzt einen Text schreiben zu dürfen.

Lange lag es mir fern, selber mit dem Fliegen zu beginnen. Als ich jedoch bei einem Tandemflug im Wallis (dank guter Kontakte zu Windwärts) den Aletschgletscher überhöhen und diesen so aus einer Perspektive sehen konnte, die wenigen Personen vorbehalten ist, da packte mich das Gleitschirmfieber doch noch. Schon seit jeher verbringe ich viel Zeit in den Bergen, sei es beim Biken, Klettern oder Langlaufen. Das Gefühl hingegen, einfach so losfliegen zu können und vom Element Luft abhängig zu sein, fasziniert mich auch jetzt noch immer wieder aufs Neue. Inzwischen empfinde ich das Fliegen als eines der schönsten und aufregendsten Hobbys, das ich habe.

Gerade heute, am 11. Februar 2023, habe ich wieder einen sehr lehrreichen Tag erlebt. Fürs Langlaufen habe ich mich in Davos mit Kolleginnen getroffen, und wir genossen am Vormittag die perfekt präparierte Loipe.

Seit ich fliege, kann ich den Blick jedoch nicht vom Himmel abwenden und halte, egal welcher Aktivität ich nachgehe, Ausschau nach anderen Schirmen. Solche waren auch heute immer wieder zu sehen. Als wir nach zwei Stunden auf der Loipe die Langlaufskis zusammenpackten, war es erst ein Uhr, und das Wetter sowie die Verhältnisse schienen stabil und gut zu bleiben. Einige DCZO-Kollegen legten mir schon zu Beginn meiner Gleitschirmkarriere nahe, dass ein Gleitschirm immer ins Gepäck gehört, wenn es die Platzverhältnisse auch nur einigermassen zulassen. Das habe ich mir zu Herzen genommen und den Schirm nach Davos geschleppt. Ich entschied mich also, am Nachmittag aufs Jakobshorn zu fahren. Ans Jakobshorn habe ich sehr schöne und aufregende Erinnerungen: Ich habe dort meinen ersten Höhenflug absolviert, jedoch von einem Startplatz aus, der im Winter nur schwer per Sessellift erreichbar ist. Bis auf dieses eine Erlebnis war das Gebiet jedoch Neuland für mich. Es war das erste Mal, das ich mich alleine in ein für mich wenig bekanntes Gebiet wagte – ich war zwar schon alleine Gleitschirm fliegen, aber bis jetzt immer auf der Scheidegg, die ich von der Flugschule her doch recht gut kannte.

Natürlich informierte ich mich im Voraus über Wind, Wetter und Startmöglichkeiten. Auf dem Jakobshorn gibt es mehrere Startplätze, einige sind als leicht eingestuft, andere als schwer und nur für fortgeschrittene Piloten geeignet. Für mich war klar, dass ich mich noch nicht als fortgeschrittene Fliegerin einstufe, weshalb der eine Startplatz schon mal nicht in Frage kam. Als ich jedoch oben ankam, war der Wind perfekt für genau diesen schwierigen Startplatz, bei dem man direkt in Richtung Seilbahn startet. Alle Anwesenden meinten, zu starten sei kein Problem, und die Verhältnisse schienen wirklich perfekt zu sein für diesen Startplatz. Mein Bauchgefühl überzeugte mich nicht, weshalb ich mich schliesslich dagegen entschied, den Schirm dort auszulegen. Etwas niedergeschlagen ging ich zurück zur Bahn hoch. Gerade wollte ich die Gondel ins Tal nehmen, als ich beobachtete, wie drei Gleitschirme weiter unten starteten. Dieser Startplatz sah für mich von der Lage her sehr ansprechend aus. Ich konnte mich zwar nicht erinnern, dort unten einen offiziellen Startplatz gesehen zu haben, aber das war mir im Moment egal, die Fläche und die Neigung schienen zu passen. Vom Wind her erwartete ich leichten Rückenwind, aber der Startplatz sah so gut aus, dass ich es mit kräftigem Laufeinsatz gut schaffen sollte.  Eine Viertelstunde später unten angekommen, bestätigte sich meine Einschätzung: leichter Rückenwind, aber grundsätzlich machbar.

Was ich vergass, war, dass im Schnee der Schirm leicht ins Rutschen kommt. So rutschte er mir – natürlich auch wegen des anhaltenden Rückenwinds – dauernd wieder davon. Als ich endlich bereit war, wurde mir bewusst, dass ich maximal zwei Startversuche hatte, da ich sonst die letzte Bahn zurück ins Dorf verpassen würde. Ich versuchte, mit doch ziemlich zügigem Rückenwind zu starten – vergeblich. So packte ich nach zwei Startversuchen wieder zusammen und erwischte immerhin noch die letzte Gondel zurück nach Davos. Natürlich hätte ich mir gewünscht, den Nachmittag mit einem schönen Flug abschliessen zu können, doch trotz der erfolglosen Startversuche habe ich bei meinem Ausflug einiges gelernt.

Mein persönliches Fazit: Fliegen ist eben nicht nur Fliegen, sondern sich informieren, abschätzen, Entscheidungen treffen, dem Bauchgefühl vertrauen und auch zu diesem stehen. Das ist meiner Meinung das, was unseren Sport so interessant, herausfordernd und, wenn es aufgeht, auch wunderschön macht. Auf sein Wissen zurückzugreifen und abzuwägen zwischen Sicherheit und «eifach mal probiere». Denn wenn es dann klappt und die Thermik einen hochträgt, oder man einfach einen ruhigen Moment in der Luft geniesst, dann ist das doch das beste Gefühl, das man sich vorstellen kann. Für mich auf jeden Fall Grund genug, weiterhin dranzubleiben und neue Startplätze zu erkunden. 

Für die nächste Flugstafette freue ich mich, etwas von Hampi Keller zu lesen.